Shibari, die japanische Kunst des Fesselns, hat in den letzten Jahren auch außerhalb Japans an Popularität gewonnen, insbesondere in der BDSM-Szene. Ursprünglich in der Kriegsführung entwickelt, um Gefangene zu binden, hat sich Shibari zu einer Form der körperlichen und emotionalen Ausdrucksweise entwickelt, die Ästhetik, Erotik und Machtspiel miteinander vereint. In diesem Artikel tauchen wir tief in die Bedeutung von Shibari im Kontext von BDSM ein, beleuchten seine Geschichte, die psychologischen und emotionalen Dimensionen, sowie die Praktiken und ethischen Aspekte, die es umgeben.
Historischer Hintergrund von Shibari im BDSM-Kontext
Shibari, was auf Japanisch „binden“ oder „fesseln“ bedeutet, hat seinen Ursprung in der traditionellen japanischen Fesselkunst „Hojojutsu“. Diese Technik wurde im feudalen Japan von Samurai verwendet, um Kriegsgefangene effizient und kunstvoll zu fesseln. Mit der Zeit entwickelte sich Hojojutsu zu einer erotischen Kunstform, die als „Kinbaku“ bekannt wurde und die ästhetische Fesselung des Körpers in den Vordergrund stellte.
Während Shibari ursprünglich eine rein japanische Tradition war, beeinflusste der Austausch mit der westlichen BDSM-Szene seine moderne Form. In der BDSM-Kultur fand Shibari eine neue Heimat, wo es nicht nur wegen seiner Ästhetik geschätzt wird, sondern auch als Werkzeug für das Erleben von Macht, Kontrolle und Hingabe. Die visuelle Schönheit der kunstvollen Knoten und die Betonung auf das Zusammenspiel von Vertrauen und Kontrolle haben Shibari zu einer zentralen Praxis innerhalb der BDSM-Welt gemacht.
Die Rolle von Macht und Kontrolle im Shibari
Shibari und BDSM sind untrennbar miteinander verbunden, da beide Praktiken auf Machtgefälle und Kontrollübergabe basieren. Im Shibari gibt es üblicherweise zwei Hauptrollen: den „Rigger“, der fesselt, und den „Bottom“, der gefesselt wird. Diese Rollen sind typisch für BDSM-Dynamiken, bei denen der Rigger oft die dominante, kontrollierende Rolle übernimmt, während der Bottom die submissive Rolle einnimmt.
Die Dynamik im Shibari spiegelt die tiefen psychologischen Aspekte von BDSM wider. Für den Rigger geht es darum, nicht nur die physische Kontrolle zu haben, sondern auch das Vertrauen seines Partners zu wahren. Für den Bottom hingegen geht es um die Hingabe und das Loslassen von Kontrolle. Diese Machtspiele können für beide Beteiligten eine intensive Erfahrung sein, die auf einer soliden Grundlage von Kommunikation und gegenseitigem Einverständnis („Consent“) beruht.
Techniken und Praxis von Shibari im BDSM
Shibari erfordert nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch tiefes Verständnis für die körperlichen und emotionalen Grenzen des Partners. Die verschiedenen Techniken im Shibari reichen von einfachen Knoten bis hin zu komplexen Ganzkörperfesselungen und Suspensionen. Einige der grundlegenden Fesseltechniken umfassen den „Single Column Tie“ und den „Double Column Tie“, die oft als Ausgangspunkt für weitere Fesselungen dienen.
Ein wesentlicher Bestandteil des Shibari im BDSM ist die Sicherheit. Da es sich um eine Form des Bondage handelt, bei der Seile direkt auf den Körper wirken, müssen Rigger geschult sein, um Nervenschäden, Blutstauungen oder andere Verletzungen zu vermeiden. Besonders bei der Verwendung von Suspensionstechniken, bei denen der Bottom vollständig vom Boden abgehoben wird, ist besondere Vorsicht geboten.
Die Wahl des Materials spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Traditionell werden in Shibari Seile aus Jute oder Hanf verwendet, da diese natürliche Textur und Festigkeit bieten, was für den Fesselnden und den Gefesselten von Vorteil ist. Weiche Baumwollseile oder synthetische Seile werden oft für Anfänger empfohlen, da sie sanfter zur Haut sind.
Körperliche und emotionale Aspekte von Shibari im BDSM
Shibari erzeugt nicht nur physische, sondern auch intensive emotionale Reaktionen. Viele, die diese Kunstform praktizieren, berichten von einem Gefühl des „Loslassens“ oder der „Hingabe“, das durch das Eingeschlossensein in den Seilen entsteht. Diese Erfahrung kann tief meditativ und befreiend sein und wird oft als „Subspace“ bezeichnet – ein Zustand, in dem der Bottom intensive Gefühle von Entspannung, Hingabe und manchmal sogar Euphorie erlebt.
Für den Rigger kann das Erschaffen komplexer Knoten und das Wissen um die Kontrolle über den Körper des Partners ebenfalls eine tiefe emotionale Verbindung hervorrufen. Hier steht nicht nur die Kontrolle im Vordergrund, sondern auch die Fürsorge für den gefesselten Partner.
Shibari und Erotik im BDSM
Obwohl Shibari nicht immer einen sexuellen Kontext haben muss, ist es oft ein wichtiger Bestandteil erotischer BDSM-Szenarien. Die kunstvolle Fesselung des Körpers und die Art, wie die Seile den Körper betonen, schaffen eine erotische Spannung, die viele Praktizierende fasziniert. Die Nähe und Intimität, die durch das Fesseln entsteht, kann eine intensive sexuelle Erregung hervorrufen.
Shibari bdsm wird nicht nur in privaten BDSM-Spielräumen praktiziert, sondern auch in öffentlichen Performances und sogar in der erotischen Fotografie und Pornografie eingesetzt. Die visuelle Ästhetik des gefesselten Körpers, in Kombination mit dem Machtgefälle, spricht viele an, die nach einer erotischen Erfahrung suchen, die weit über den physischen Akt hinausgeht.
Shibari in der BDSM-Community
Shibari hat in der weltweiten BDSM-Community eine bedeutende Rolle eingenommen. In vielen Städten gibt es mittlerweile Workshops, in denen Rigger und Bottoms die Kunst des Fesselns erlernen und vertiefen können. Öffentliche Shibari-Performances, bei denen die ästhetische und erotische Seite dieser Fesselkunst gezeigt wird, sind in BDSM-Clubs und auf Fetisch-Events ebenfalls sehr beliebt.
Diese Community hat dazu beigetragen, Shibari zugänglicher zu machen und Vorurteile gegenüber BDSM und Fesselpraktiken abzubauen. Durch den Austausch und die Zusammenarbeit von Praktizierenden weltweit hat Shibari eine eigene Kultur innerhalb der BDSM-Welt entwickelt, die sowohl Respekt, Sicherheit als auch künstlerischen Ausdruck fördert.
Rechtliche und ethische Aspekte im BDSM-Shibari
Wie bei allen BDSM-Praktiken ist auch beim Shibari die Zustimmung und Einwilligung (Consent) das wichtigste Grundprinzip. Beide Parteien müssen sich der Risiken und der Dynamiken bewusst sein und diese klar kommunizieren. In den meisten Ländern gibt es rechtliche Grauzonen, wenn es um BDSM und sexuelle Praktiken geht, was es umso wichtiger macht, dass beide Partner ihre Zustimmung geben und sich an Sicherheitsregeln halten.
Ein weiteres ethisches Thema ist der Umgang mit Grenzen. Im Shibari können Grenzen körperlicher und emotionaler Natur sein, und es ist die Aufgabe des Riggers, diese zu respektieren. Verantwortung und gegenseitiges Vertrauen sind in dieser Kunstform unerlässlich.
Shibari als Form der sexuellen Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung
Für viele Menschen, die Shibari praktizieren, geht es nicht nur um sexuelle Erregung oder Machtspiel, sondern auch um eine tiefere Form der Selbsterfahrung. Shibari kann ein Mittel sein, um sich selbst besser kennenzulernen, körperliche und emotionale Grenzen zu erkunden und Vertrauen aufzubauen. Es bietet die Möglichkeit, in kontrollierten Umgebungen Macht und Kontrolle anders zu erleben und zu verstehen.
Rituale und Zeremonien spielen im BDSM-Shibari oft eine wichtige Rolle. Für manche kann die Fesselung eine Art symbolischer Reinigung oder Hingabe sein, die nicht nur den Körper, sondern auch den Geist berührt.